Der Weg zum Webdesigner: Die Story hinter meiner Passion

Hinter jeder Passion steckt eine Geschichte. Mein Weg zum Webdesigner wurde bereits 2002 geebnet. Die Grundlagen von Adobe Photoshop, gutem Design und Nutzerführung brachte ich mir autodidaktisch bei. Weitere Hauptprotagonisten in dieser tollen Geschichte: Ein unlizensiertes Forum, ein MP3-Player und viele Bücher über HTML und CSS.

Veröffentlicht am
28
.
July
2021
Aktualisiert am
.
Lesedauer
15 Minuten
Kategorie
Business
Darum gehts
  • Mit 14 Jahren erstellte ich meine erste eigene Website und verdiente mit ihr wenig später sogar Geld
  • Die Arbeit in einem Großkonzern haben mich und mein Denken nachhaltig geprägt

PHP & MySQL: Die ersten Schritte im eigenen Forum

2002, irgendwann weit nach Mitternacht: Höchst illegale Sachen passieren in meinem Kinderzimmer. An den Wänden klebten billige Poster von Sportlern und Eminem. Ich installiere das WoltLab Burning Board 2 auf einem Webserver - ohne eine Lizenz gekauft zu haben! (Sorry WoltLab, ich hatte damals keine Kohle ✌🏻) Diese Forensoftware war früher das Nonplusultra und basierte auf der Programmiersprache PHP.

Die Installation war kompliziert und Ahnung von PHP hatte ich auch keine. Ich hatte eine Anleitung, einige Fehlermeldungen und wenig Geduld. Jene Fehlermeldungen notierte ich mir und fragte einen Schulfreund nach Hilfe.. so 2002!

Nach drei weiteren Nächten war das Ding dann endlich online. Der Beginn einer wunderbaren Geschichte: Meine erste Website. Sie trug den kreativen Namen "ff-forum". Ich wollte anderen Fans der Videospiel-Reihe Final Fantasy eine Plattform zum Austausch geben, denn die offiziellen Foren von Squaresoft waren verdammt schlecht. Das Webdesign meiner ersten Website war sehr spartanisch, eigentlich beließ ich es beim Standard-Template.

Freunde aus Schule und Nachbarschaft meldeten sich aus Mitleid an und überfluteten den Off-topic-Bereich mit Themen wie "Was hört ihr gerade?" oder Geburtstagsbeiträgen. Ich lernte schnell, dass ein Standard-Design und ein Forum ohne nennenswerte Funktionen langweilig und wenig interaktiv ist. Es gab zwar Erweiterungen wie interaktive Karten, Live-Chats und individuelle Designs, diese mussten jedoch kompliziert integriert werden. Jedenfalls dachte ich das.

So brachte ich mir die Grundlagen von PHP und MySQL mit Büchern und CDs aus irgendwelchen Zeitschriften bei. Plattformen wie YouTube gab es noch lange nicht, allgemein war es deutlich schwieriger an Informationen zu gelangen.

Kein Mensch wartet auf dich und dein Produkt: Die harte Lektion

In meinem Kopf gab es die Illusion, dass mit besseren Funktionen auch der Durchbruch meines Forums kommen wird. Was dann aber folgte, war das wohl wichtigste Learning und der Grundstein für meinen Weg: Ohne Marketing läuft es nicht. Kein Mensch wartet auf dich und dein Projekt. Was war passiert? Nichts. Gar nichts. Ich investierte Wochen, um mir das Programmieren beizubringen und trotzdem war die Enttäuschung da.

Im offiziellen Final Fantasy Forum war ich durch mein tiefes Wissen über den siebten Teil der Reihe ein bekannter Hund, was ich ausnutzen sollte. In meiner Signatur (der individuelle Bereich unter dem Beitrag) machte ich für mein eigenes Forum Werbung. Neue Mitglieder lockte ich mit Aussicht, einen Moderator-Posten in meinem Forum zu ergattern. Innerhalb von drei Tagen stieg die daily visits auf über 100, nach weiteren sechs Wochen waren es bereits 500 tägliche Nutzer.

Ich baute aus vertrauten Online-Bekanntschaften ein kleines Team aus Administratoren, Super-Moderatoren und Moderatoren. Das Forum wuchs so schnell, dass der Serverhoster anklopfte und mehr Geld verlangte. Was du wissen musst: Privates Hosting steckte noch in den Kinderschuhen und war alles andere als günstig - vor allem für einen 14-Jährigen.

Der Einstieg und Aufstieg zum Webdesigner

Ich sprach das Geldproblem offen im Forum an und erlebte eine Welle der Unterstützung. Wildfremde Menschen aus der Community spendeten Geld und wollten somit das Überleben des Boards sichern. Auf diesem Weg konnte ich auch eine offizielle Lizenz für das Forum erwerben. Dadurch erhielt ich Zugang zu neuen Erweiterungen, Updates und Support seitens Entwickler. Mittlerweile ist das Team auf acht Menschen angestiegen und wir telefonierten wöchentlich bzw. tauschten uns über ICQ aus.

Unser Ziel war es, das Forum größer und das Webdesign schöner zu machen. Ich setzte mich hin und brachte mir HTML, CSS und die Grundlagen guten Webdesigns bei. Dabei verschlang ich so ziemlich jedes verfügbare Buch und verbrachte meine Sommerferien in der lokalen Buchhandlung, da ich keine Kohle für die Bücher hatte.

UX-Design? Warum auf deine Zielgruppe hören?

Nach wenigen Monaten konnten wir ein komplett neues Design für das Forum launchen. Der bis dahin stolzeste Moment in meinem Leben. Das Problem: Die Nutzer außerhalb des Teams fanden es nicht so toll. Viele klagten über fehlende Kontraste, kleine Typografie und lange Ladezeiten. Die zweite wichtige Lektion auf meinem Weg zum Webdesigner: Das Design muss nicht mir, sondern den tatsächlichen Nutzern gefallen.

Und diese hatte ich bis dahin gar nicht in den Gestaltungsprozess einbezogen (Artikel: User Experience - Was ist das eigentlich?). Viel mehr wollte ich das Forum mit einem Knall überraschen - war blöd! Ich nahm mir das Feedback zu herzen und designte viele Elemente neu, schickte ausgewählten Nutzern Screenshots und freute mich über Feedback.

Gar nicht so schlecht: Viel Whitespace, minimalistischer Stil und ein echt guter Dropshadow - es gab im Jahr 2000 deutlich schlechtere Designs im Web

Durchbruch & Findungsphase

Eineinhalb Jahre nach Launch meiner ersten Website (mittlerweile war es Ende 2003) war unser Forum auf über 5,000 Nutzer angewachsen und somit bedeutender als die hauseigene Plattform von Squaresoft. Die Kosten für den Server wurden immer höher. Auch wenn die Spenden die laufenden Ausgaben abdeckten, so wollten wir neue Wege für die Finanzierung finden: Wir verabschiedeten uns vom Exklusiv-Thema Final Fantasy.

Wir merkten, dass das Interesse an dem Thema rückläufig war, denn es gab vier Jahre kein neues Spiel. Games wie Call of Duty und Need for Speed dominierten das Jahr 2003 und ein ganz großer Titel warf seine Schatten voraus: Grand Theft Auto San Andreas. Dieses Spiel schlug ein wie eine Bombe. Der Hype um GTA begann bereits mit Vice City und auch ich war am Rand der Sucht, brachte meine PlayStation zum Glühen.

Game Shops aus verschiedenen Städten wollten auf unserem Board Werbung schalten und lockten unsere Mitglieder mit Rabatten oder anderen Vorteilen. Eine Win-Win-Situation: Wir konnten das Forum finanzieren, die Shopbetreiber ihre Umsätze erhöhen und unsere User bekamen Vergünstigungen.

Wir entschieden uns dazu das Forum umzubenennen, neue Themen hinzuzufügen und ein komplett neues Design zu gestalten. Auf diesem Weg konnten wir unsere Community in wenigen Wochen nahezu verdreifachen. An Spitzentagen, meist Sonntagabends, hatten wir bis zu 12,000 Besucher. Wir erreichten mit unserem Forum eine breite Masse: Junge und alte Gamer tauschten sich aus, Liebesbeziehungen und Freundschaften entstanden oder zerbrachen.

Und auch in Sachen Webdesign stand ein großes Thema vor der Tür: Web 2.0. Webdesigner übertrumpften sich zu dieser Zeit täglich mit ihren außergewöhnlichen Designs. Es wurde viel mit Grafiken gearbeitet, Animationen und interaktive Elemente eroberten das Web. In unserem Forum klatschten Nutzer die wildesten Bilder in ihre Signaturen. Meist klauten sie diese grafischen Signaturen aus anderen Foren und bauten sie mit verschiedenen Programmen selbst - ich war neidisch und wollte das auch können.

Ein typisches Design zu Zeiten des Web 2.0 - in diesem Beispiel ein deutsches Forum

Die erste Liebe meines Lebens: Adobe Photoshop

Der Einstieg ins Design-Business war somit geebnet. Meine ersten Versuche machte ich mit PaintShop Pro und CorelDraw, alle anderen Nutzer im Forum erstellten ihre Signaturen jedoch mit Adobe Photoshop. Wichtiger Rückblick: Anders als heute üblich, zahlte man damals meist einmalig einen großen Betrag für Software und konnte diese dann endlos lang nutzen. Da Adobe in vielen Bereich der absolute Industrieführer war, kosteten die Tools auch dementsprechend: Photoshop ging für rund 650 Euro über die Ladentheke.

Komischerweise hatte jeder Zweite in unserem Forum dieses teure Stück Software (haha). Das Gute: Adobe bot einen kostenfreien 30-tägigen Test ohne Einschränkungen in den Funktionen an. Schnell E-Mail-Adresse und Namen, schon ging es zum Download.

Problem Nummer 1: Unsere Internetgeschwindigkeit daheim war viel zu langsam für einen Download in der Größenordnung. Die Installationsdatei war ungefähr 250 Megabyte groß. Die Lösung war schnell gefunden: Das Internetcafé im Ort verfügte über einen Breitbandanschluss - Hallo Highspeed-Internet! Schnell tat sich ein zweites Problem auf: Ich hatte keinen USB-Stick oder gar eine externe Festplatte, um die Installationsdatei zu übertragen.

Mein frisch erworbener MP3-Player hatte eine Speicherkapazität von 128 MB, die Datei war jedoch doppelt so groß. Technische Raffinesse hatte ich schon immer: Um mehr Songs auf meinen MP3-Player zu bekommen, konvertierte ich Lieder von MP3 zu WMA und drückte die Bitrate. Ich beschäftigte mich mit den Möglichkeiten der Archivierung und konnte letztendlich die Datei archivieren und in zwei Parts splitten. Am heimischen Computer konnte ich beide Teile wieder zusammenführen und hatte meine Installationsdatei.

Gute alte Zeit: Ein Screenshot von Adobe Photoshop CS2 aus dem Jahr 2005

Der Design-Allrounder

Alle 30 Tage wiederholte sich das Spiel, denn nach Ende der Testphase musste ich mein Betriebssystem neu installieren und die Testphase erneut anstoßen. Ich hatte keine Ahnung von dem Tool und auch komplett andere Vorstellungen: Bei PaintShop Pro gab es vorgefertigte "Effekte", welche einfach auf die Text-Layer gelegt werden konnte. Außerdem waren einige Basis-Patterns und Aktionen, mit denen ich Bilder "aufwerten" konnte.

Dies alles gab es bei Adobe Photoshop nicht. Da ich unbedingt Photoshop erlernen wollte, öffnete ich einen neuen Bereich im Forum: GFX (engl. für "graphics"). Nutzer, die dort Photoshop-Tutorials erstellten, wurden mit besonderen Sternen aufgezeichnet, welche fortan ihre Profile verzierten. Wöchentlich gab es ein GFX-Battle: User traten gegeneinander an und sollten Grafiken mit vorgegebenen Elementen erstellen. Die anderen Mitglieder des Boards fungierten als Jury und kürten den Sieger.

Im Jahr 2004 gab es noch keine Software wie Adobe XD oder Figma - Wireframes und Prototypen mussten mit anderen Tools oder aber mit Stift und Zettel erstellt werden. Zu dieser Zeit wurde bei der Gestaltung von Websites häufig auf Photoshop zurückgegriffen. Nach und nach lernte ich meinen Design-Prozess zu verbessern, Nutzer einzubeziehen und die richtigen Fragen zu stellen. Im Laufe der Zeit lernte ich andere wichtige Programme wie Premiere Pro oder Adobe GoLive kennen.

Ich experimentierte viel mit Flash und fand meinen eigenen Stil. Dieser hat sich in den letzten 15 Jahren natürlich weiterentwickelt, trotzdem sehe ich die Anfangszeit als die prägendste meines Lebens.

Fazit

Es ist verrückt zu wissen, dass ich einem einfachen MP3-Player und einem Videospiel so viel verdanke. Ich habe in jungen Jahren bereits erkannt, dass das Internet meine zweite Heimat ist und ich dort Geld verdienen kann. Das alte Forum hat mir sehr viele wichtige Lektionen beigebracht und ich bin jedem einzelnen Mitglied für diese tolle Zeit dankbar. 2006, fast vier Jahre nach dem Launch, haben wir das Board geschlossen.

Die meisten aus dem damaligen Team waren - wie ich selbst - Heranwachsende und verloren das Interesse an Videospielen. Es gab damals ein lukratives Kaufangebot, welches wir nach langer Diskussion jedoch abgelehnt haben. Einzig die Domain haben wir an Square Enix verkauft. Somit schloss sich dieser Kreis. Die wichtigste Erkenntnis: Mit einem kleinen Team, aber unendlicher Leidenschaft haben wir ein millionenschweres Unternehmen ausgekontert.

Steve von wyreframe
Webdesigner
* Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen wird zwar nur die männliche Form genannt, stets aber die weibliche Form gleichermaßen mitgemeint. Menschen jeglichen Geschlechts sind mir als Leser*innen herzlich willkommen 🌈❤️

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